Die These dieses kürzlich, nach dem Eingreifen Russlands in der Ukraine erschienenen Buchs: Die Ereignisse der letzten zwei Jahre werden, nach 15 Jahren „russenfreundlicher“ Blindheit und „Realpolitik“, endlich die Augen Europas über die wahre Natur Wladimir Putins und seiner Regierung öffnen, Sobald die Masken gefallen sind, wird es daher bald an der Zeit sein, ihm „Goodbye“ zu sagen, genauso wie die Ostblockländer dem Kommunismus den Rücken zugewendet haben - der Titel lehnt sich „ Goodbye Lenin“ (2002) an, ein deutscher Film, welcher dem Fall der Berliner Mauer gewidmet ist.

Dieser, beim Sundance Film Festival (USA) prämierte und 2014 für den Oscar nominierte Dokumentarfilm erzählt die Geschichte der russischen Gruppe Pussy Riot, drei Punksängerinnen und politisch-feministische Aktivistinnen. Diese waren berühmt geworden, nachdem sie nach einem Anti-Putin-Konzert in einer orthodoxen Kirche von Moskau während der Präsidentschaftswahlen in 2012 zu zwei Jahren Haft verurteilt wurden. Nach ihrer Freilassung kämpften die jungen Frauen weiter, insbesondere Nadia Tolokonnikowa, die neuerlich im Februar 2014 in Sotschi und im Juni 2015 in Moskau festgenommen wurde, als sie für die Rechte der Gefangenen demonstrierte.

Zwei Brüder, Boxweltmeister (Schwergewicht), allein das ist nicht üblich. Zudem befinden sich die Klitschkos beim Kampf der Ukraine gegen die Ambitionen von Wladimir Poutine in der ersten Reihe. Der Ältere, Vitali (44 Jahre) ist heute Bürgermeister der Hauptstadt Kiew und wird die Liste des Präsidenten Poroschenko bei den vorverlegten Parlamentswahlen im nächsten Oktober anführen. Der Jüngere, Wladimir (39 Jahre), ohne offizielle Stellung, versäumt keine Gelegenheit seine Bekanntheit zu nutzen, um die internationale Meinung zu verständigen, indem er Europa zu einer verschärften Stellung gegen Putin aufruft, wie kürzlich in der L'Equipe : „Dem Tyrann muss Stopp gesagt werden... Und wie beim Boxen, den Angreifer angreifen! »

Nach dem Fall der Berliner Mauer hatten all jene große Hoffnungen, die damals vor dem russischen Staat flüchten mussten. Aber was werden sie in diesem Land vorfinden, welches das Russland der Zaren war, dann siebzig Jahre lang die URSS und heute ruiniert, das vor dem kapitalistischen Westen in die Knie ging, der Einrichtung einer autoritaristischen Regierung und der Beschlagnahmung der riesigen Ressourcen des Landes durch einige Oligarchen beiwohnte? Dies erzählt Irina Liebmann, 1943 in Moskau geboren, Tochter des deutschen Journalisten Rudolf Hernstadt, die in Ostdeutschland aufwuchs und die diesen Bericht in den Spuren ihrer, in Sibirien geborenen Mutter beginnt.

Prix Renaudot in 2011, durch diese Romanbiografie wurde der ebenso fesselnde als auch dubiose Schriftsteller Eduard Limonow (72 Jahre) wieder angesagt. Von der Regierung aus der URSS vertriebener Poet, in den 1970er-Jahren Punk-Penner in New York, in den 1980er-Jahren angesagter Schriftsteller in Paris, Soldat im Lager der serbischen Streitkräfte während der Kriege in Ex-Jugoslawien ... Limonow verkörpert seit seiner Rückkehr nach Russland einen Teil der Opposition gegenüber Wladimir Poutine. Zuerst Nationalist (er verbrachte vier Jahre im Gefängnis weil er die „nationalbolschewistische Partei“ gegründet hatte, des versuchten Staatsstreichs angeklagt), heute steht er den Liberalen der Bewegung „Das andere Russland“ näher. Eine so zweideutige Persönlichkeit, dass ihn der Autor auf erstaunliche aber überzeugende Weise mit dem aktuellen russischen Präsidenten, seinem Todfeind vergleicht!

« Konstantin hat Moskau verlassen sobald er wußte, dass gegen ihn eine Anzeige wegen Extremismus erhoben wird. Er brach ohne Hab und Gut zum Flughafen auf. Am Telefon sagte er mir, dass er nicht auf die Wände einer Zelle malen will und lieber mittellos in Paris als hier im Gefängnis leben will.» (Alexander Donskoij, Direktor eines Privatmuseums). Am Vortag wurden vier Gemälde von Altuin als „extremistisch“ beurteilt und von der Staatsgewalt beschlagnahmt, unter anderen Travestis (das Wladimir Putin und Dmitri Medwedew in Unterwäsche darstellt). Im Courrier de Russie veröffentlicht, illustriert dieses Kommuniqué an sich schon das Risiko, in Russland Opponent von Wladimir Poutine zu sein.

Der "himmelblaue Speck" ist eine Materie, die als Energiequelle oder als Droge verwendet wird, von der niemand das Herstellungsgeheimnis kennt, mit Ausnahme einiger russischer Wissenschaftler, die sich in 2068 in ein Forschungszentrum von Sibirien zurückgezogen haben. Diese Wissenschaftler haben ein Klonierungssystem entwickelt, das sieben Persönlichkeiten der Literatur vorbehalten ist - Tolstoi, Tschekhow, Nabokov, Pasternak, Dostojewski, Achmatowa und Platonow -, sowie der Herstellung des "himmelblauen Specks" auf Basis Ihrer Körper. Im Verlauf einer Cocktailparty wird die wertvolle Substanz gestohlen und anhand einer Zeitmaschine ins Moskau von 1954 transportiert. Stalin, Chruschtschow, Hitler werden damit die Protagonisten einer außergewöhnlichen erotisch-politischen Intrige. Aufgrund dieses „karnevalistischen“ Romans wurde sein Autor vor Gericht wegen Pornografie angeklagt und von der Regierung Putins verfolgt. (L’Éditeur)

Willkommen im Russland der Randschichten, weit von Moskau und ihren Politik- und Finanzintrigen entfernt. Letztes Jahr hat der Filmregisseur Andreï Kontschalowski (78 Jahre) mit dieser fesselnden Chronik eines Ortes in der Region von Arkhangelsk, im Nordwesten Russlands, bei der Mostra di Venezia den Silbernen Löwen des besten Regisseurs gewonnen. Als Opfer der sowjetischen Zensur ab seinem zweiten Film, in 1967, wanderte Kontschalowski in die USA aus, wo er oft in Hollywood im Einsatz war (die Action-Komödie Tango and Cash, in 1989, mit Sylvester Stallone), bevor er in den 1990er-Jahren wieder nach Russland zurückkehrte. Fähig, sich Putin zu widersetzen (er verteidigte die Pussy Riot), setzt er, wie in diesem Fall, eher auf sanfte Nostalgie, um die Brutalität besser zu bedauern, die sein Land erfasst hat.

Bestes Drehbuch in Cannes (2014) und für den Oscar nominiert (2015). Dieser Film ist ein konzessionsloses Eintauchen in das Russland von Wladimir Putin: Räuberischer Kapitalismus, korrupte Amtsgewalt, widerliche Sichtweisen über die „russische Identität“ und die Aufgabe der Kirche, Alkoholismus, Gewalt, massiven Behinderungen der Redefreiheit... Hervorgehoben durch die prachtvollen Bilder des russischen hohen Nordens hat sich die Geschichte – ein Mechaniker der gegen den Bürgermeister kämpft, der sich illegal sein Haus aneignen will - jedoch an einer amerikanischen Kurzmeldung inspiriert!

Dieser 40 Jahre alte Schriftsteller, ehemaliger Soldat in Tschetschenien, stand lange Zeit dem Romanautor und Politiker Eduard Limonov nahe, dem er in der nationalbolschewistischen Partei gedient hatte (die nationalistische Opposition gegenüber Putin). Die Intrigen der sieben Novellen dieser Sammlung, die im tiefen Russland spielen, stöbern in den Familien-, Freundschafts- und Liebesbeziehungen in einem Land, wo der gesellschaftliche Wandel (insbesondere die Rolle der Frau) und die wirtschaftlichen Schwierigkeiten den Menschen nicht die Fallen des ewigen Russlands ersparen. Wobei diese, genauso wie der Autor, zum Zeitpunkt des Falls der URSS gerade ihre Jugendzeit hinter sich hatten.

Wenn es in Russland sehr riskant ist, sich gegen Wladimir Putin und seine Machtausübung kritisch zu zeigen, so ist auf der anderen Seite der Grenze alles möglich. Auf diese Weise kam die österreichische Rock-Fusionsband Rammelhof, bis dahin nur bei einigen Fans bekannt, mit einem satirischen Titel und Clip gegen Putin und seine ukrainische Politik plötzlich ins Rampenlicht. Wladimir (Put Put Putin), 2014 vollkommen anonym herausgekommen, wurde zu einem Riesenhit mit mehr als einer Million Klicks in YouTube. Auf jeden Fall ist es nicht sicher, dass die Band in nächster Zeit in Moskau auftreten kann ....